Dämonen

von der Nördlichen Seidenstrasse

Ihre ungewöhnliche Erscheinungsweise macht die Deutung dieser Figur schwierig. Blaue Hautfarbe und rote Haare weisen auf einen Dämon. Aber Lächeln, Fehlen von spitzen Ohren, Reißzähnen und vorquellenden Augen machen das unwahrscheinlich. Die nach oben gestreckten Arme zeigen, dass die Figur einmal Teil einer größeren Gruppe war. Im Armstumpf zeigt sich sein Gerüst aus Zweigen.

 

Solche Skulpturen waren einst Teil von größeren Kompositionen. Sie bestehen aus zerbrechlichem Material: Lehmschichten wurden auf hölzerne Stützgerüste modelliert. Die an der Luft getrockneten Skulpturen wurden im Anschluss farbig bemalt. Es wurden Formen für einzelne Figurenteile verwendet, wodurch eine umfangreiche Vervielfältigung möglich war. Die Skulpturen wurden oft mit Wandmalereien innerhalb eines Gebäudes oder eines Höhlentempels kombiniert, aber der ursprüngliche Kontext ist heute oft nicht mehr zu rekonstruieren.

 

Dämonen

Die Darstellung von Dämonen entlang der Nördlichen Seidenstraße spiegelt die vielfältigen religiösen und kulturellen Einflüsse wider, die auf dieser historischen Handelsroute zirkulierten. Insbesondere in den buddhistischen Kunstwerken und Höhlenmalereien begegnet man häufig dämonischen Figuren, die eine wichtige symbolische Rolle spielen.

Buddhistische Dämonen

In der buddhistischen Ikonographie werden Dämonen oft als Beschützer des Glaubens dargestellt oder als Personifikationen von Hindernissen auf dem Weg zur Erleuchtung.

Einige der häufigsten dämonischen Figuren sind:

  1. Yama: Der buddhistische Gott des Todes, der manchmal als Dämon oder furchterregendes Wesen dargestellt wird. Er wacht über die Unterwelt und symbolisiert das Ende des irdischen Lebens. In buddhistischen Darstellungen ist Yama oft von furchteinflößenden Dämonen begleitet, die die Seelen der Verstorbenen vor Gericht bringen.
  2. Mara: Ein wichtiger Dämon in der buddhistischen Lehre, der als Verkörperung von Versuchungen und Täuschungen gilt. Mara versucht, den Buddha auf dem Weg zur Erleuchtung zu verführen und zu behindern. Skulpturen und Malereien zeigen oft Mara und seine dämonischen Armeen, die versuchen, den Buddha abzulenken.
  3. Lokapalas (Himmelswächter): Diese Wächtergötter werden oft in furchterregenden Formen dargestellt, um buddhistische Tempel und heilige Stätten zu beschützen. Sie tragen oft dämonische Gesichtszüge, mit wilden Augen, Grimassen und Waffen, aber sie stehen auf der Seite des Guten und bewahren den Glauben.

Hinduistische und Zentralasiatische Einflüsse

Neben buddhistischen Dämonen gibt es auch Einflüsse aus der hinduistischen und zentralasiatischen Mythologie. Die Yakshas und Rakshasas sind solche dämonischen Wesen, die sowohl in der hinduistischen als auch in der buddhistischen Tradition erscheinen. Sie werden oft als wilde und gewalttätige Kreaturen beschrieben, die jedoch in bestimmten Zusammenhängen auch als Schützer fungieren können.


Stilistische Merkmale

Die Darstellungen dieser Dämonen sind oft von grober, wilder Schönheit und Schrecken geprägt. Sie haben furchteinflößende Gesichter mit aufgerissenen Augen, verzerrten Grimassen und großen, hervorspringenden Zähnen. In den Höhlen von Dunhuang beispielsweise sind einige dieser dämonischen Figuren in lebendigen Farben dargestellt, mit roter oder schwarzer Haut, was ihre bedrohliche Natur verstärkt.

In der Kunst der Nördlichen Seidenstraße zeigen die dämonischen Figuren eine Kombination aus chinesischer, indischer und persischer Kunst. Manche Figuren tragen Kleidung oder Rüstungen, die an zentrale und westasiatische Krieger erinnern, was die kulturelle Vermischung entlang der Seidenstraße verdeutlicht.


Funktion der Dämonen

Die Dämonen entlang der Seidenstraße erfüllten eine symbolische und spirituelle Funktion. Sie standen oft als Wächter, die heilige Räume vor bösen Einflüssen schützten, oder sie verkörperten die negativen Kräfte und Versuchungen, die Menschen auf ihrem spirituellen Weg überwinden müssen. In der buddhistischen Kunst sind Dämonen oft nicht einfach bösartig, sondern spielen eine wichtige Rolle im kosmischen Gleichgewicht und in der spirituellen Reise des Menschen.

Die Kunstwerke von der Nördlichen Seidenstraße zeigen, wie solche dämonischen Figuren nicht nur Furcht einflößen sollten, sondern auch als Mahnung und Schutz dienten, und somit das komplexe Verhältnis zwischen Gut und Böse in verschiedenen religiösen Traditionen widerspiegelten.

 

China, Xinjiang, Yarkhoto

10. - 11. Jh.

Lehm mit Farbe

Turfan-Expedition II (1904- 1905)

III 7621