Zeitmaschine
Kunst am Bau
ZEITMASCHINE
Welche Uhrzeit stimmt denn nun? Der Blick auf das Kunstwerk irritiert. Scheinbar chaotisch zeigt jede der 66 Uhren dieser Collage eine andere Zeit in einer überraschenden Auswahl von Städten in Deutschland und der Welt an. Das Werk gibt einen Eindruck von der Uneinheitlichkeit der Welt des 19-ten Jahrhunderts. Dafür greift der Künstler die Illustration „Die Weltuhr“ von Ed Lissner aus der Zeit um 1850 auf. Anders als heute bestimmte damals jeder Ort seine eigene Uhrzeit nach dem Sonnenstand. Erst 1884 wurden bei einer Konferenz in Washington, D.C. die noch heute gültigen weltweiten Zeitzonen gleichzeitig mit dem Nullmeridian eingeführt. Unter den 25 vertretenen Nationen waren zehn europäische Länder und elf Staaten Nord- und Südamerikas. Aus Asien war nur Japan einbezogen, Afrika war nicht vertreten. Die bis heute gültige Vereinheitlichung und Ordnung der Welt erfolgte also als Setzung aus einer westlich geprägten Perspektive.
Stefan Sous
2020
verglaste Wanduhren
Zeitmaschine
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Kunst am Bau.
Künstlerische Auseinandersetzungen mit dem Humboldt Forum.
In insgesamt vier Wettbewerben für sieben Standorte im Humboldt Forum waren Künstler*innen dazu aufgefordert, sich in ihren Beiträgen mit der Geschichte des Ortes, seiner zukünftigen Nutzung als Ausstellungshaus und Veranstaltungszentrum, als Ort der Bildung und der Wissenschaften im Kontext der Humboldt‘schen Ideen oder mit der äußeren Erscheinung des Bauwerks auseinanderzusetzen. „Kunst am Bau“ hat in Deutschland eine lange Tradition. Der Begriff umschreibt die Verpflichtung, bei öffentlichen Bauten einen bestimmten Anteil der Baukosten, zumeist rund ein Prozent, für Kunstwerke zu verwenden. Der Staat als größter Auftraggeber wird so im Sinne der im Grundgesetz garantierten Kunstfreiheit seinem Anspruch gerecht, Künstler*innen und ihr künstlerisches Werk zu fördern. Häufig entstehen durch die künstlerische Auseinandersetzung bereichernde Spannungen mit Ort und Raum, Inhalt und Funktion des Bauwerks. Für das Humboldt Forum hat das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung die Kunst-am-Bau-Wettbewerbe durchgeführt. Geeignete Standorte für die Werke wurden vorab in enger Abstimmung mit dem Architekten Franco Stella ausgewählt. Jurys begutachteten die eingereichten Entwürfe und wählten sieben Kunstwerke für eine Umsetzung aus.
Aus der Begründung der Kunst-am-Bau-Jury.
Die Jury hat für diesen Beitrag den ersten Preis vergeben: „Die Installation richtet den Blick auf eine oft übersehene Triebkraft der Modernisierung: die Vereinheitlichung von räumlichen und zeitlichen Maßeinheiten weltweit. Beim Lesen der Ortszeiten fällt die andere Bedeutungsperspektive des 19. Jahrhunderts auf. Zentrale Orte von heute stehen nicht durchweg im Mittelpunkt, während Randlagen im Zentrum stehen. Diese Tatsache und der Gang der Uhren selbst besitzt eine große Dynamik. Diese Zeitmaschine trägt sowohl einen geschichtlich ernsten Aspekt wie auch eine spielerisch freundliche Komponente in sich. Die Installation wird wandbündig präsentiert und wird damit Teil der Architektur. Die Farbe der Wand leitet sich aus der historischen Illustration her.“
BBR-WB Kunst am Bau, Humboldt Forum im Berliner Schloss, Foyerwand 1. OG – Auszug aus der schriftl. Beurteilung des Preisgerichts vom 07.08.2018.