Kizil Höhle
Höhle der Ringtragenden Tauben
Info
Eine einzigartige Rekonstruktion eines Höhlentempels mit originalen Wandmalereien. Stellen Sie sich vor, Sie treten aus dem Tal ein: auf den Seitenwänden sehen Sie zwei fast identische riesige Buddhas - ursprünglich mit goldverzierten Roben - aus denen kleine Buddhas hervortreten. Das verweist auf ein Wunder, bei dem sich der vor einer Menge predigende Buddha vervielfältigte. Diese wunderbare Erscheinung führte zur Massenbekehrung. Die zentrale Buddha-Skulptur gibt es nicht mehr. Der vergoldete Körpernimbus (mandorla), der in der Nische ausgestellt wird, gehörte zur Statue eines sitzenden Buddha. Solch eine Holzskulptur konnte in einer Prozession herumgetragen werden. Die goldenen Flammen deuten auf die Erleuchtung Buddhas, die er durch Meditation erlangte. Sie befähigte ihn zu Wundern wie dem seiner Vervielfältigung.
Die begehbare Höhle stammt aus Kizil, in der Nähe von Kucha an der nördlichen Seidenstraße im heutigen Uigurischen Autonomen Gebiet Xinjiang (China) gelegen. Als der Höhlentempel um das 6-ten Jahrhundert errichtet wurde, war Kucha die Hauptstadt eines regionalen Königreichs. Hier herrschten die indoeuropäischen Tocharer. Heilige Schriften, Stile und Rituale wurden aus buddhistischen Königreichen in Indien und aus Gandhara, dem heutigen Pakistan und Afghanistan, überliefert. Auch der Einfluss der iranischen Kultur war bedeutend. Hunderte von Höhlen, meist mit einer gewölbten Decke, wurden in den weichen Felsen gehauen. Die Kizil-Höhle 123 hingegen, die als „Höhle mit den ringtragenden Tauben“ bekannt ist, hat eine quadratische Form und ist – ganz ungewöhnlich – von einer Kuppel gekrönt. An deren Decke nimmt man staunend Buddhas und Bodhisattvas wahr, Letzteres sind erleuchtete Wesen, die in dieser Welt bleiben, um den Gläubigen zu helfen, bessere Reinkarnationen und Erleuchtung zu erlangen. An den Seitenwänden dominieren zwei große identische Buddhas.
Die vier deutschen Expeditionen, die Anfang des 20-ten Jahrhunderts die Wandmalereien nach Deutschland brachten, trafen in einer verlassenen Stätte ein und glaubten, diese Gemälde durch den Ausbau zu retten. Doch durch das Ausschneiden und den Transport entstanden Schäden. Einige Wandgemälde der Kizil-Höhle wurden gegen Ende des Zweiten Weltkriegs tragischerweise zerstört, als das Völkerkundemuseum Berlin – wo damals eine erste Teil-Rekonstruktion dieses Höhlentempels stand – während der Bombenangriffe ausbrannte. Die aktuelle vollständige und maßstabgetreue Rekonstruktion richtet sich nach Abmessungen und Details des ursprünglichen Höhlentempels. Diese wurden 2017 während einer Forschungsreise nach Kizil im Rahmen einer Kooperation mit der Kucha Research Academy sowie bei früheren Projekten dokumentiert. Zerstörte oder vor Ort verbliebene Wandmalereien wurden in sandfarbenen Lehmtönen nachgebildet. Originalfragmente sind an den bunten Farben zu erkennen. In großen Vitrinen rund um die rekonstruierte Höhle werden Lehmskulpturen aus anderen Fundorten ausgestellt. An einem Medientisch – umgeben von archäologischen Holzobjekten – lernen Besucher*innen Struktur und Bildprogramm der Höhlentempel in Kizil kennen. Und die Geschichte der vier Expeditionen (1902 bis 1914) wird mithilfe historischer Fotos und Zeichnungen interaktiv kontextualisiert.