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GCA Globale Kultursammlung

Gemeinsame Erklärung der internationalen Partner*innen

GCA: Globale Kulturversammlung


Gemeinsame Erklärung der internationalen Partner*innen


Wir, die unterzeichnenden Teilnehmer*innen des Eröffnungs-symposiums des Humboldt Forum vom 12-ten bis 14-ten September 2022, haben im Angesicht der ernsthaften Herausforderungen des Klimawandels für die ökologische Stabilität und die Menschheit die folgenden Ideen, Vorschläge und Erwartungen entwickelt und rufen das Humboldt Forum auf, seine Rolle und Verantwortung anzuerkennen in Hinblick auf die Förderung und Gewährleistung internationaler und interkultureller Zusammenarbeit. Damit verpflichtet sich das Humboldt Forum als verlässlicher Partner langfristig zu agieren um Vertrauen aufzubauen über Regionen hinweg für und mit unterschiedlichen Gemeinschaften. Das Humboldt Forum und seine Akteure sorgen in Bezug auf seine Strukturen und Ressourcen für Zugänglichkeit und Transparenz. Internationale Partner*innen werden als ein zentraler Akteur der Organisation anerkannt.

Das Humboldt Forum und seine Akteure erkennen den Wert der Sammlungsbestände für die Weltgemeinschaft und ihre Herkunftsgemeinschaften an. Die sogenannten „Objekte" oder „Ausstellungsstücke" sind nicht auf bloße Dinge oder Artefakte zu reduzieren, sondern als „Cultural Belongings" anzuerkennen. Sie vermitteln Beziehungen zwischen Menschen, Orten, kulturellen und künstlerischen Praktiken, die sich auf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft beziehen. Ein adäquater Umgang mit den „Cultural Belongings" impliziert ferner ein Engagement zur Pflege und Schutz der damit verbundenen Orte (Territorien) und Habitate. In Bezug auf die Sammlungsbestände erkennt das Humboldt Forum und seine Akteure einen Auftrag an, der ihnen von der internationalen Gemeinschaft zugeschrieben ist.

Die Leitungen des Humboldt Forums stehen in einer besonderen Verantwortung diesem ethischen Auftrag gerecht zu werden, indem sie adäquate institutionelle Fähigkeiten und Ressourcen zu seiner Erfüllung entwickeln und sicherstellen.

Respekt vor Eigentum, Einverständnis, Würde sowie kulturelle Selbstbestimmung sind zentrale Leitmotive im Humboldt Forum als ein lebendiger Ort, an dem sich vielfältige kulturelle Praktiken, künstlerische Produktivität, Geschichten und Erzählungen in unterschiedlichen Formen entwickeln und entfalten können. Um dies nachhaltig zu gewährleisten, sind angemessene Strukturen und Rahmenbedingungen sicherzustellen.

Das Humboldt Forum erkennt vielfältige Wissensformen an, in denen indigene, lokale und biografische Erfahrungen und Praktiken zentral und sichtbar werden. Dieses Verständnis dient als Leitprinzip für die Arbeit und Aktivitäten des Humboldt Forums in seinen unterschiedlichen Handlungsfeldern u.a. in der Provenienzforschung, der Ausstellungs- und Programmgestaltung ebenso wie in einem kultursensiblen Umgang mit Sprache und Terminologie.

Darüber hinaus soll das Humboldt Forum strukturelle Teilhabe, Räume und Partizipationsmöglichkeiten für Kulturschaffende, Künstlerinnen oder Community-Vertreterinnen sicherstellen, die zu ihren eigenen Bedingungen produktiv werden.

Das Humboldt Forum nimmt seine Verantwortung als öffentliche Einrichtung wahr über eine aktive Beteiligung an öffentlichen Diskursen und in dem es breite Sichtbarkeit schafft und sich für die Interessen seiner internationalen Partnerinnen einsetzt.

Wir, die Teilnehmerinnen, schlagen die unten genannten Punkte und Konzepte vor.

Die Bestätigung dessen ist Ausgangspunkt unseres weiteren Engagements als internationale Partnerinnen mit dem Humboldt Forum.

Berlin 18.09.2022

Ständige Indigene Vertretung.


Die Ständige Indigene Vertretung ist ein physischer Raum im Humboldt Forum für und im Dienst von Indigenen und internationalen Gemeinschaften und ihrer Anliegen. Sie schafft eine selbstbestimmte öffentliche Sichtbarkeit in Anerkennung ihrer derzeitigen Unterrepräsentation im politischen Raum. Die mit ausreichenden Ressourcen ausgestattete Indigene Vertretung bietet Begegnungs-und Dialogmöglichkeiten mit Personen anstelle von „Objekten".

Die Indigene Vertretung steht ein für das Wissen und für die Technologien Indigener Gemeinschaften sowie für ökologische Nachhaltigkeit und für Maßnahmen und Projekte zum Schutz der Umwelt und der Sicherstellung natürlicher Ressourcen für die lokalen Gemeinschaften. Die bestehende westliche Dichotomie zwischen Natur und Kultur soll kritisch überprüft, stattdessen ein umfassendes Verständnis von Habitat und Kultur anerkannt werden.

Die indigene Vertretung steht ein für aktuelle Themen ihrer Gemeinschaften und macht diese einer breiten Öffentlichkeit sichtbar. Es adressiert Themen wie z.B. gefährdetes Kulturerbe inklusive Sprachen oder Praktiken und dient als Anlaufstelle für den Aufbau dauerhafter Netzwerke zu anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen. Die Indigene Vertretung wird zudem adäquat ausgestattet um Rechtsexpertise in einem transkulturellen Kontext bereitzustellen um dadurch Rechtspluralismus im Kontext von Verhandlungen zwischen Kulturen und Nationen zu fördern.

Weltkonferenz zu Themen wie Restitution und Repatriierung.


Bis Ende 2024 ist eine mehrtägige Konferenz mit dem Humboldt Forum und internationalen Partnern zu Themen rund um Restitution und Repatriierung abzuhalten. Die Tagung soll Leitideen und praktikable Lösungen zu unterschiedlichen Fragestellungen bereitstellen, die in der deutsch-internationalen Debatte über Restitution wiederholt adressiert werden, wie zum Beispiel:

Wo ist die Anlaufstelle bei einer Restitutionsanfrage?

Was ist operativ zu tun?

Wie sieht ein würdevoller Restitutions- oder Repatriierungsprozess aus?

Wie funktioniert der Zugang zu Depots und Sammlungsbeständen, Archiven und Datenbanken?

Was sind die Mitgliedschaftskriterien?

Die Konferenz leistet die Vorarbeit um Grundlagen zu schaffen für die Einrichtung einer Kontakt- und Beratungsstelle im Humboldt Forum, um bei Restitutionsprozessen zu beraten und zu unterstützen sowie Transparenz und kulturell angemessene (würdevolle) Verfahren sicherzustellen.

Sprachkulturen


Ein angemessener und sensibler Umgang mit Sprache ist zentral für die Arbeit des Humboldt Forums. Wo immer möglich, sind Originalbegriffe aus der Herkunftssprache zu verwenden. Denn alle „Cultural Belongings" haben durch ihre Namen in der Herkunftssprache eine Identität. Sprache ist Wissensträger und vermittelt auf einer weiteren Ebene Informationen über die Objekte aus der Herkunftsgesellschaft. Say their names!

Das Zirkulationsprinzip


Das Zirkulations- oder Kreislaufprinzip dient als ein Leitprinzip für künftige Ausstellungs- und Programmkonzepte des Humboldt Forum. Es umfasst den Austausch zwischen Menschen, Ideen und „Cultural Belongings" zum Beispiel durch transnationale Kulturprojekte, Residenzen und Austauschprogramme insbesondere für junge Menschen. Das Prinzip der Zirkulation wird darüber hinaus im Sinne von Transparenz verstanden. Es umfasst die Bereitstellung und den Zugang zu Daten, Informationen und Ressourcen.

Als erster Schritt zur Umsetzung wird vorgeschlagen, eine multiversale und mobile Ausstellung kollaborativ zu entwickeln und zu kuratieren, um Geschichten der „Cultural Belongings" aus und in verschiedenen Regionen zu erzählen und zu teilen. Die Ausstellung wird auf allen Kontinenten gezeigt - in ländlichen und urbanen Räumen. Das Ausstellungskonzept soll auf der Idee einer „wachsenden Ausstellung" basieren, angereichert durch Perspektiven und Wahrnehmungen von Personen und Besucherinnen aus aller Welt. Durch vergleichende Ansätze (Beispiel Web- oder Flecht-kunst) kann ein mögliches Thema entwickelt werden.

Silent Projects


Silent Projects adressieren den Bedarf an prozessorientierten und ergebnisoffenen Projekten ohne vorbestimmte Ausspielungs-oder Produktionsformate. Silent Projects schaffen sichere Räume für Begegnungen, Experimente, dekoloniale Praxis, Vertrauensbildung sowie kulturelle Praxis, die von Menschen und „Cultural

Belongings" ausgeht.

Neues Museum


Die internationalen Partner*innen empfehlen Dezentralisierung als Organisations- und Arbeitsprinzip, langfristige und nachhaltige Zusammenarbeit zwischen Gemeinschaften - nicht nur die Anerkennung immaterieller Kulturgüter sondern die Erfahrbarmachung und Vermittlung in Verbindung zur zeitgenössischen künstlerischen Praxis (Musik/Sound/performative und bildende Kunst).

Ferner werden empfohlen die Entwicklung von Outreach- und Inreach Programmen für diverse Zielgruppen, die verstärkte Entwicklung kollaborativer Bildungsformate sowie partizipative und innovative Kulturprogramme für ein junges Zielpublikum.