Kazike
Kalkbehälter als menschliche Figur

Es sieht aus wie pures Gold, wie ein edles Kunstwerk – aber der „Kazike“ aus dem vorspanischen Kolumbien ist keine Skulptur und auch nicht aus reinem Gold. Er ist ein Behälter für Kalk, und er besteht aus einer Legierung mit hohem Kupfergehalt. Noch heute benutzen indigene Gesellschaften in Südamerika Behälter, um den Kalk, der für das Kauen von Kokablättern gebraucht wird, darin aufzubewahren, sie bestehen heute aber aus Flaschenkürbis.

Kalk löst das Alkaloid aus den Kokablättern, erst dadurch entsteht die anregende Wirkung. Gekaut wurden und werden die Blätter unter anderem, um Hungergefühle, Kälte und Müdigkeit zu vertreiben. Außerdem wirken sie effektiv gegen die Höhenkrankheit und sind daher in den Anden weitverbreitet.

Aus dem Behälter in Form einer männlichen Figur wurde der Kalk mit einem angefeuchteten Stäbchen entnommen, das man von oben in den Kopf steckte. Dies verdeutlicht die Darstellung der zwei kleinen Kalkgefäße, die die Figur in den Händen hält. Hergestellt wurde sie um 500 bis 700 nach Christus von den Quimbaya. Das außergewöhnlich prächtige Objekt ist im Humboldt Forum in der „Goldkammer“ zu sehen. Anders, als man vielleicht denkt, stammen die Goldobjekte nicht aus der Zeit der „Entdeckung“ Amerikas. Sie wurden vielmehr im 19-ten Jahrhundert zusammengetragen, als Bananenplantagen angelegt und Eisenbahntrassen gebaut wurden.

 

Wie viele der Goldschmiedearbeiten der Quimbaya ist der „Kazike“ im Hohlgussverfahren gearbeitet. Schaut man genauer hin, sieht man, dass der Körper zwar aus einem Guss hergestellt wurde, das Gussmodell aber aus mehreren Teilen zusammengesetzt worden ist: die Hände mit den Kalkbehältern, die Unterschenkel, die Füße mit der Standplatte und der Torso selbst. Körper und Kopf wurden separat gegossen und später zusammengelötet.

Auch die Oberfläche ist nicht einheitlich, an manchen Stellen ist sie rötlicher, an anderen Stellen goldener. Dies ist auf die Gold-Kupfer-Legierung zurückzuführen. Durch ein Vergoldungsverfahren, das „Mise-en-couleur“ genannt wird, konnte eine golden glänzende Oberfläche erreicht werden. Dazu wurde das stark kupferhaltige Objekt erhitzt und mit Säuren behandelt, die in Pflanzen vorhanden sind. Dadurch oxidierte der Kupferanteil, der dann mechanisch entfernt werden konnte.

In den Minen von Buriticá wird noch heute Gold abgebaut.

Gold und Kupfer finden sich in den Andenkordilleren im Westen Kolumbiens. Die wichtigste Bergbauregion in vorspanischer Zeit waren dort die Minen von Buriticá, in denen noch heute Gold abgebaut wird. Die vorspanischen Bewohner von Buriticá lebten ausschließlich von der Gewinnung und Verarbeitung von Gold. Sie kontrollierten den Handel mit dem Edelmetall vorwiegend nach Norden bis an die Grenze zum heutigen Panamá. Die Quimbaya waren in Kazikentümern organisiert, das heißt in Gemeinschaften von bis zu 200 Einwohnern, mit Oberhäuptern, die Statussymbole besaßen, wie an dem dargestellten Kaziken gut zu erkennen ist: Er trägt ein Diadem, Ohrschmuck, Nasenschmuck, eine mehrmals um den Hals geschlungene Kette und Ligaturen an den Beinen.

 

Zu der Erwerbung gibt es nur wenig Information.

1873 kaufte das damals gerade offiziell gegründete Königliche Museum für Völkerkunde den Kalkbehälter von Hermann Henrich Meier, einem Kaufmann aus Bremen. Zu dieser Zeit waren die Sammlungen noch Teil der ethnologischen Abteilung im Neuen Museum, das eigene Museum wurde erst 1886 eröffnet. Hermann Henrich Meier (1809–1898) stammte aus einer seit dem 16. Jahrhundert dokumentierten, angesehenen Familie von Gelehrten und Kaufleuten in Bremen. Der Bremer Hafen war in dieser Zeit das Tor für den Tabakimport nach Deutschland. Auch das Handelshaus Meier importierte Tabak aus den USA und Kolumbien, Petroleum, Häute und Felle aus Kolumbien und Venezuela. Aus dieser Verbindung nach Kolumbien stammt möglicherweise auch der Kalkbehälter. Da der Ankauf aus dem Gründungsjahr des Königlichen Museums für Völkerkunde stammt, gibt es nur wenig Information zu dieser Erwerbung. Wir wissen lediglich, dass der goldene Kazike von Meier gekauft wurde. Wie er selbst zu diesem Stück gekommen ist, lässt sich nicht mehr rekonstruieren.